In diesem Schuljahr bot sich eine Gedenkveranstaltung nicht nur wegen der „runden“ Jahreszahl an, sondern weil am 22. Dezember der letzte Unterrichtstag vor den Weihnachtsferien war, ein Gedenken also als Unterrichtsveranstaltung stattfinden konnte.
Nach dem Schulgottesdienst machten sich Herr Klein und Frau Tefs mit Schülerinnen und Schülern eines Grundkurses und eines Zusatzkurses Geschichte der Q2 auf den Weg zur Karl-Lehr-Straße 9. Dort hatte Harro Schulze-Boysen mit seinen Eltern gewohnt, als er zwischen 1923 und 1928 das damals „Realgymnasium Duisburg“ genannte Steinbart-Gymnasium besuchte. Das Steinbart-Gymnasium hat seinen ehemaligen Schüler 2001 als Widerstandskämpfer geehrt und 2005 die beiden Stolpersteine für Harro und Libertas Schulze- Boysen gestiftet.
Harro Schulze-Boysen hat mit seiner Ehefrau, Libertas Schulze-Boysen, und vielen Freunden in Berlin Widerstand gegen die NS- Diktatur und vor allem gegen den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg geleistet. Er und seine Freunde versuchten, mit den Feinden Deutschlands, den sogenannten Alliierten, Kontakt aufzubauen, um Diktatur und Krieg zu beenden. Ein missglückter Funkkontakt mit der Sowjetunion führte zur Verhaftung. Harro Schulze- Boysen, seine Frau Libertas und viele andere Freunde wurden durch das Reichskriegsgericht unter Manfred Röder als Hochverräter zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde sofort vollstreckt.
In der alten BRD wurde er bis in die 80er Jahre weiterhin als „Vaterlandsverräter“ abgestempelt. Nach der deutschen Einheit von 1990 wurde er zunehmend als Widerstandskämpfer anerkannt. 2006 wurde auf Antrag seines jüngeren Bruders das Urteil des Reichskriegsgerichts von 1942 durch den Deutschen Bundestag aufgehoben.
In einer Zeit, in der der völkerrechtwidrige, brutale Angriffskrieg Russlands in der Ukraine andauert, erhält der Widerstand Harro Schulze-Boysens gegen den rassistischen Vernichtungskrieg des NS- Regime in Osteuropa eine erschreckende, kaum für möglich gehaltene Aktualität.
Eine kurze Ansprache, Lesungen aus Harro Schulze-Boysens Briefen und Stellungnahmen von Schüler*innen mussten gegen den lauten Verkehr auf der Karl-Lehr-Straße stimmlich „erkämpft“ werden. Musikalische Besinnung war nur unter Kopfhörern möglich und dafür umso entspannender.
Das Anzünden von Teelichtern, die als Friedenslichter wie ein schützender Kreis um die Stolpersteine gruppiert wurden, hat auch in Wind und Regen – teilweise – geklappt.
Trotz widriger Umstände blieb somit das Gefühl, dass Harro Schulze-Boysens Widerstand auch für uns heute Bedeutung hat. (Kl)